Eine Woche Urlaub. Ganz kurzfristig. Theoretisch wusste ich zwar, dass ich in diesem Jahr noch einen Resturlaubstag vom Vorjahr habe und damit insgesamt einen Tag mehr verplanen kann, aber eingerechnet habe ich diesen zusätzlichen Tag in meine bisherigen Planungen nicht. Bis letzte Woche. Da fiel es mir auf und plötzlich hatte ich statt drei noch vier Tage zur freien Verfügung. Damit kriegt man in Bayern schon mal eine ganze Woche im Sommer hin, wenn der Arbeitgeber in einer vorwiegend katholischen Gegend wie zum Beispiel München sitzt. So wie bei mir. Nur, was fange ich jetzt mit der freien Zeit an? Ich stoße im Zuge meiner ersten zögerlichen Pinterest-Erkundungen auf die deutsche Alpenstraße. Ich mag die Berge. Die Alpen. Das Panorama. Und doch bin ich viel zu selten da, um sie zu genießen. Schnell steht also die Idee. Ein Mini-Roadtrip auf der deutschen Alpenstraße.

Nürnberg – Lindau am Bodensee – Scheidegg – Lindenberg im Allgäu

Nach einer knapp dreistündigen Anfahrt komme ich in Lindau an. Am Bodensee. Ist das schön hier. Und gleichermaßen voll. Die Parkplatzsuche nervt direkt. Dabei will ich Lindau gar nicht weiter erkunden, sondern mich nur kurz an den See stellen und freuen. Nicht leicht, aber dann doch machbar.

Bodensee mit Alpenpanorama – angekommen im Urlaub

Weiter geht es nach Scheidegg. Ich habe vorher noch nie von diesem Ort gehört, aber hier gibt es eine Menge Attraktionen, wie mir das Internet bei meinen Recherchen verraten hat. Die Scheidegger Wasserfälle besuche ich als erstes. Aber zunächst brauche ich eine Kleinigkeit zu Essen. Ich halte bei einem Kiosk, von dem ich vermute, dass er direkt zu den Wasserfällen gehört, die ich im Anschluss besuchen will. Ist zwar nicht so, macht aber nichts. Ein Paar Wiener kriege ich trotzdem. Am Nachbartisch sitzen drei ältere Allgäuer. Sie sehen so aus, als wäre dies ihr Stammtisch. Es ist sehr gemütlich hier. Bis die Herren aufstehen und auf einmal einer der Männer einen anderen anschnauzt: “‘zefix, jetzt halt’s Maul, sonst schmier’ i dir oane!” Ich bin verdattert. Wohl doch nicht so gemütlich, die Männerrunde. Genauso schnell ist aber auch wieder Ruhe, die drei verziehen sich ohne weiteren Geschrei. Frisch gestärkt geht es zu den Wasserfällen, die über mehrere hundert Stufen abwärts (und im Anschluss natürlich auch wieder aufwärts) zu erreichen sind. Vielleicht habe ich irgendwo schon einmal erwähnt, dass ich Treppensteigen nicht mag?! Und schon gar nicht Treppen im Inka-Stil, bei denen mir die Stufen bis zum Knie reichen. Ich entscheide mich also dafür, nicht komplett abzusteigen, sondern nur bis zur halben Höhe. Hier habe ich einen tollen Blick auf den ersten großen Wasserfall. Wahnsinn, mit welcher Wucht da die Wassermassen herabrauschen. Den zweiten Wasserfall kann ich von hier auch aus von oben sehen.

Der erste große Wasserfall

Die zwei großen Wasserfälle

Den kleinen Wasserfall fand ich persönlich aber fast noch spannender. Denn den kann man nicht nur anschauen, sondern hautnah erfahren, weil ein Rundweg direkt hinter dem Wasserfall entlang führt.  Das ist bei Temperaturen von über 25° C ein erfrischendes Vergnügen.

Spaziergang zum kleinen Wasserfall

Hinter dem kleinen Wasserfall führt der Rundweg entlang.

Gar nicht weit entfernt von den Wasserfällen ist der Reptilienzoo Scheidegg. Hier gibt es hauptsächlich Schlangen zu sehen, dazu ein paar Vogelspinnen, Schildkröten, Frösche und Echsen. Schön ist das Freiluftgehege für die Ringelnattern und Kreuzottern. Wirklich einzigartig aber ist die Klapperschlange, die im letzten Jahr hier geboren wurde. Denn sie hat zwei Köpfe, was hier nun sehr ausführlich untersucht und dokumentiert werden kann. Ich muss unweigerlich an die Sage der Hydra denken. Aber die Klapperschlangenköpfe sehen nicht unzufrieden aus mit ihrem einen Körper. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass der rechte Kopf sich gerne mal in eine andere Richtung geschlängelt hätte als der linke. Ich freue mich, dieses spannende Tier gesehen zu haben und auch, dass die Schlange wach und aktiv war und man damit die zwei Köpfe so gut sehen konnte.

Zweiköpfige Klapperschlange im Reptilienzoo in Scheidegg.

Zufrieden fahre ich weiter zum Allgäuer Skywalk, der ebenfalls in Scheidegg ist. Das ist in der Hauptsache ein Baumwipfelpfad, und soetwas wollte ich schon länger einmal besuchen. Ich komme am späten Nachmittag an, als die meisten Besucher schon wieder weg sind. Mit dem Aufzug geht es 40 m in die Höhe auf die Aussichtsplattform. Man sieht bis zum Bodensee, nach Bregenz und Friedrichshafen. Ein paar Meter tiefer führt die Stahlkonstruktion auf Höhe der Baumkronen entlang. Ich hätte nicht gedacht, dass man die Schwingungen so stark merkt, aber man spürt deutlich die Bewegung, fast als würde man auf einem Ast hoch oben in der Baumkrone sitzen und im Wind wiegen.

Blick vom Baumwipfelpfad bis zum Bodensee.

Zur Übernachtung fahre ich nach Lindenberg. Das Hotel liegt direkt am Waldsee und ich freue mich auf eine Erfrischung im Wasser. Leider ist der Waldsee aktuell wegen Blaualgen gesperrt und so muss ich den Punkt “Badevergnügen” auf meiner Liste heute offen lassen.

Lindenberg im Allgäu – Oberstdorf – Reutte/Österreich – Eschenlohe

Für heute habe ich mir viel vorgenommen. Es geht vom Allgäu über Österreich nach Oberbayern. Trotzdem kann ich ausschlafen und entspannt losfahren. Schon 1,5 km nach Lindenberg ist der erste Fotostopp. Dieser wird auch auf der Homepage der Deutschen Alpenstraße angepriesen, so dass auch ich hier halte. Es ist der perfekte Start für eine Tour entlang der Panoramaroute, welche ich heute richtig auskosten kann.

Allgäuer Alpenpanorama

Weiter geht es entlang der Alpenstaße. Das Wetter ist traumhaft, ich fahre mit offenem Dach und guter Musik. Und schalte dabei auch die Gedanken ab. In Sonthofen verlasse ich die Querstaße und fahre südlich weiter bis nach Tiefenbach bei Oberstdorf zur Breitachklamm. Es ist die tiefste Schlucht ihrer Art in Mitteleuropa und ich bin gespannt, was mich erwartet. Es überrascht mich wenig, dass ich heute nicht die Einzige mit der Idee bin, die Klamm zu erkunden. Der Weg führt anfangs entlang des Wassers, steigt dann aber stetig an, gleichzeitig ändert sich die Umgebung und die Felswände werden steiler. Langsam kann man die gesamten Ausmaße der Schlucht erfassen. Es ist schattig und feucht, das Wasser spritzt vom Bach herauf und gleichzeitig tropft Tau- und Regenwasser von den Steinen über dem Pfad herab. Nach guten 2 km endet der Weg an der Bergkasse, von der aus ebenfalls ein Zugang zur Schlucht möglich ist. Hier heißt es umkehren oder nach einem weiteren Aufstieg zur Dornach Alpe zu laufen und von da aus zurück zum Ausgangspunkt.

Ich bin heute nicht die Einzige in der Klamm.

Die Breitach – ein gemütlicher Bergbach.

Der Rundweg führt durch die enge Schlucht, durch die sich das Wasser seinen Weg bahnt.

Ich entscheide mich für die zweite Option und folge der Beschilderung zur Alpe Dornach. Aber der Aufstieg hat es in sich. Langsam hangele ich mich von Kurve zu Kurve, immer höher. Hier gibt es keinen erfrischenden Bergbach mehr, die Luft ist gleich viel stickiger, und auch wenn der Weg durch die Bäume im Schatten liegt, sind die Temperaturen hier deutlich höher als in der kühlen Schlucht. Aber es ist nicht weit und schon bald sehe ich die Hütte. Hier gönne ich mir ein Getränk und eine Allgäuer Bergkässuppe, welche hervorragend schmeckt. Anstrengender als die Tour bis hierhin sind allerdings die Herrschaften am Nachbartisch, welche offensichtlich zur Schickeria zählen. Die sind hier nicht hochgelaufen, sondern mit dem Auto gekommen, so viel ist klar. Der Herr in Anzughose und nicht ganz knitterfreien Hemd, die Dame stark geschminkt und perfekt frisiert, der Dackel an der Leine unruhig, der würde gerne mal ein paar Kilometer richtig laufen. Von den Gesprächen der beiden, welche ich unweigerlich mit anhören muss, will ich gar nicht erst anfangen. Erholt und gestärkt geht es an den Abstieg, der es auch noch einmal in sich hat, da er recht steil ist. Es ist schon halb vier, als ich wieder auf dem Parkplatz bin und meine Tour fortsetze.

Bergkuh beim Mittagsschlaf

Spätes Mittagessen 1.000 Meter über dem Meer mit Aussicht.

Ich fahre wieder zurück nach Sonthofen und folge von da an wieder der deutschen Alpenstraße in Richtung Ostallgäu. Mein nächstes Ziel liegt in Österreich. Dazu verlasse ich in Füssen wieder die Alpenstraße und fahre nach Reutte in Tirol. Hier befindet sich mit 406 m eine der längsten Fußgängerhängebrücken der Welt, die Highline179, welche die Burgruine der Festung Ehrenberg mit dem gegenüberliegenden Fort Claudia verbindet. Leider habe ich vorher nicht bedacht, dass man zu so einer Brücke auch erst einmal hoch kommen muss. Also geht es wieder an den Aufstieg. Nach ca. 20 Minuten erreiche ich den Eingang, scanne meine Eintrittskarte und schon stehe ich auf einem Gitterrostboden. Die ersten Schritte sind zögerlich, die Brücke schwankt doch stärker, als ich vermutet hätte. Mit jedem Schritt werde ich aber sicherer und laufe bald auch freihändig. Immer wieder bleibe ich stehen, genieße den Weitblick, aber auch den Blick nach unten, auf die Fernpassstraße B179, die unter der Brücke entlang führt, den Parkplatz und den Berghang. Der Rückweg über die Brücke verläuft dann schon fast schwankfrei.

Schon von unten imposant.

Auch von oben imposant.

Aussicht auf die Tiroler Alpen und den Fernpass.

Blick auf die Burgruine Ehrenberg

406 m Gitterrostboden und Stahlseile – eine wackelige Angelegenheit.

Nach einem weiteren Fotostopp in Schwangau mit Blick auf die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau überlege ich, wie ich jetzt weiter fahre. Geplant hatte ich, heute am Abend noch zum Eibsee nach Grainau zu fahren. Weil der See so wunderschön ist und ich ihn nicht mit so vielen Menschen teilen will. Andererseits bin ich müde und auch bis zu meinem Hotel sind es noch einige Kilometer. Ich entscheide mich also, direkt zum Hotel zu fahren, natürlich nicht über die kürzestes Route, sondern wieder entlang der Alpenstraße.

Wer kann bei diesem Anblick nicht nachvollziehen, warum König Ludwig II. sich hier so wohl gefühlt hat?!

Eschenlohe – Grainau – Nürnberg

Da ich es gestern nicht mehr geschafft habe, zum Eibsee zu fahren, will ich das heute nachholen. Denn wenn ich schon in der Zugspitzregion unterwegs bin, dann will ich auch an den Eibsee fahren. Als ich auf dem Parkplatz stehe, ändere ich plötzlich meine Pläne. Es ist keine bewusste Entscheidung, sondern eher ein Impuls. Ich laufe statt zum See zur Talstation der Zahnradbahn, die auf die Zugspitze fährt. Und ehe ich wirklich darüber nachdenken kann, habe ich mir ein Ticket gekauft. Ich werde auf die Zugspitze fahren. Die Fahrt dauert ca. 45 Minuten. Anfangs sieht man noch die Nadelbäume, die die Bahnstrecke säumen. Darauf folgt ein kurzer Tunnel. Als wir den verlassen, haben wir einen traumhaften Blick ins Tal und auch auf den Eibsee. Ich lächle. Weiter schraubt sich die Bahn nach oben bis zum Riffelriss, wo die Möglichkeit besteht, auszusteigen und den Rest des Berges zu erwandern. Da ich jedoch noch nicht mal eine Jacke dabei habe, geschweige denn sonstige Wanderausrüstung, bleibe ich sitzen. Die Fahrt geht weiter durch den Zugspitztunnel und endet am Bahnhof Zugspitzplatt. Tatsächlich hätte ich mir den Moment erhebender vorgestellt, aber hier ist es wirklich wie auf einem normalen Bahnhof. Es dauert etwas, bis ich den Ausgang gefunden habe und das erste Mal Bergluft schnuppere. Die Landschaft hier oben ist karg und steinig, erinnert etwas an eine Wüste und noch nicht an den Gipfel eines Berges. Hier und da liegen noch kleine Schneefelder. Im August. Und ich laufe mit T-Shirt und kurzen Hosen umher. Ich finde es toll und erkunde erst einmal die Aussichten in alle Richtungen.

Morgendlicher Ausblick in Eschenlohe.

Zugspitzblick

Der Eibsee aus halber Höhe, vom Riffelriss.

Die Bergstation der Zugspitze. Erreichbar mit der Seilbahn…

… oder zu Fuß.

Aber ganz oben bin ich noch nicht. Dafür gilt es noch ein kurzes Stück mit der Seilbahn zu überwinden. Und dann bin ich ganz oben, auf dem höchsten Berg Deutschlands. Sehe zunächst die Baustelle der neuen Zugspitzseilbahn und habe Ehrfurcht vor den Bauarbeitern, die hier oben tagtäglich arbeiten. Durch meine Erlebnisse auf dem Baumwipfelpfad und der Hängebrücke kann ich mir ungefähr vorstellen, wie sehr der Kran hier oben im Wind schwankt. Ich gehe auf die Aussichtsplattform und sehe unten, inzwischen recht klein, den Eibsee liegen. Dann Grainau, dahinter Garmisch-Partenkirchen. Auf der anderen Seite Österreich und die gesamte Schönheit der Alpen. Es ist zwar luftig, jedoch nicht zu kalt hier oben. Aber von der deutschen Seite her zieht es zu. Auf der österreichischen Seite ist es weiterhin sonnig. Ich gönne mir eine Bratwurst, die ich auf der Brüstung sitzend esse, während die Alpendohlen neugierig immer näher kommen und sich Krümel vom Brötchen erhoffen. Gesättigt mache ich mich wieder auf den Weg nach unten. Geplant hatte ich, schon längst wieder auf dem Rückweg nach Nürnberg zu sein. Aber zum Eibsee muss ich trotzdem noch, nur kurz die Füße in das klare kalte Wasser halten. Natürlich bin ich nicht die Einzige mit dieser Idee, daher bleibe ich hier auch nur kurz, bevor ich dann die Heimfahrt wieder antrete.

Zugspitzausblick

Alpendohle

Eibseeblick

Bratwurst mit Ausblick.